Das Gentechnikgesetz – Die Rechtsgrundlagen zur Gentechnik
Ist Gentechnik nun gefährlich oder harmlos? Wenn sie harmlos ist, wozu braucht es dann ein Gentechnikgesetz? Wenn sie gefährlich ist, wieso wird sie überhaupt genutzt? Natürlich gibt es keine einfachen Antworten auf diese Fragen. Um Missbrauch und einer Gefährdung der Öffentlichkeit vorzubeugen, braucht es einen klaren gesetzlichen Rahmen. Moderne gentechnologische Methoden machen eine Angleichung der geltenden Rechtsvorschriften notwendig. Eine Neudefinition des Begriffes „gentechnisch veränderter Organismus“ steht bevor. Die Entscheidung darüber hat das Potential, die Zukunft der Menschen zu verändern.
Das deutsche Gentechnikgesetz – kurz GenTG – regelt den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO). Es nennt die Bedingungen für das Betreiben gentechnischer Anlagen, für die Durchführung gentechnischer Arbeiten sowie für die Freisetzung und Inverkehrbringung von GVO. Das Gesetz trat im Juni 1990 in Kraft; auch gemeinsame Vorschriften der EU-Mitgliedsstaaten sind im deutschen Gentechnikgesetz verankert.
Zweck des Gesetzes ist es, Menschen und ihre Umwelt vor potentiell schädigenden Einflüssen von gentechnisch veränderten (gv)-Mikroorganismen, -Pflanzen und -Tieren oder daraus hergestellten Produkten zu schützen, gleichzeitig aber auch die Nutzung der Gentechnologie in Forschung, Landwirtschaft und Medizin zu ermöglichen. Es soll außerdem die Freiheit von Produzenten und Verbrauchern wahren, zwischen Produkten mit oder ohne Gentechnik wählen zu können (Koexistenz).
1. Was steht im Gentechnikgesetz?
Aktuell besteht das Gesetz aus sieben Teilen (Stand 10.2017). Einige Bereiche sind zusätzlich durch Verordnungen geregelt, wie zum Beispiel die Gentechnik-Sicherheitsverordnung (GenTSV), die detailliert die Anforderungen an gentechnische Anlagen, Maßnahmen zum Arbeitsschutz oder die Sicherheitseinstufung von Organismen erläutert. Kernaussage des Gentechnikgesetzes ist das Verbot jeglicher Arbeiten mit GVO außerhalb genehmigter Anlagen und Projekte oder die unzulässige Ausbringung, Einfuhr und Verarbeitung von gv-Erzeugnissen ohne vorherige Genehmigung.
- Allgemeine Vorschriften
Enthalten sind Angaben zum Geltungsbereiche des Gesetzes sowie Definitionen der verwendeten Begriffe. Die Zuordnung dessen, was unter der Bezeichnung GVO zu verstehen ist und welche molekularbiologischen Techniken als Gentechnik einzustufen sind, bildet die Grundlage für die Anwendung des Gesetzes. - Gentechnische Arbeiten in gentechnischen Anlagen
Hier geht es um die Risikobewertung der verwendeten Organismen und um verschiedene Genehmigungsverfahren. - Freisetzung und Inverkehrbringung
Dieser Teil des Gentechnikgesetzes bestimmt die Voraussetzungen, unter denen GVO versuchsweise freigesetzt, also außerhalb von geschlossenen Versuchsanlagen ausgebracht werden dürfen. Das betrifft in erster Linie Nutzpflanzen (Die grüne Gentechnik). Auch die Verwendung von GVO in Lebens- und Futtermitteln ist hier geregelt. Zur Überwachung der Freisetzungen wird ein Standortregister geführt und der Betreiber zur Beobachtung der Anpflanzung verpflichtet.
Die sogenannte „opt-out“-Richtlinie erlaubt seit 2015 den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten, nationale Anbauverbote für gv-Pflanzen auszusprechen. Sechszehn EU-Länder, unter ihnen Deutschland, machen von dieser Möglichkeit Gebrauch. Wie die Richtlinie dauerhaft im GenTG umgesetzt werden soll ist noch offen; der jüngste Gesetzentwurf ist im Mai 2017 gescheitert. - Gemeinsame Vorschriften
Das Gentechnikgesetz schreibt die Kontrolle der Inverkehrbringung von GVO vor. Formuliert sind hier Anweisungen zur Bereithaltung von Unterlagen, Auskunftspflichten und zur Kennzeichnung von Produkten, deren Gehalt an zugelassenen GVO über 0,9 % liegt. Ein spezifischer Code soll die Rückverfolgbarkeit eines jeden gv-Produkts durch die gesamte Produktions- und Vertriebskette gewährleisten. Den Bundesländern obliegen Überwachung und Probenentnahme, zentrale Einrichtungen testen mit Hilfe von Datenbanken und Referenzmaterialien, ob eine Probe (z.B. aus einer ausländischen Soja-Lieferung) gentechnische Modifikationen aufweist. Auf diese Weise soll sichergestellt sein, dass keine unzulässigen GVO den Verbraucher in Deutschland erreichen. - Haftungsvorschriften
Benannt wird, wer im Fall eines Schadens durch GVO die Verantwortung trägt. Haftbar bis zu einem bestimmten Höchstbetrag kann der offizielle Betreiber der gentechnischen Anlage oder ein Projektleiter sein. - Straf- und Bußgeldvorschriften
Eine Ordnungswidrigkeit begeht, wer die Vorschriften zur Dokumentation verletzt oder Veränderungsanzeigen versäumt. Hierfür sind Geldbußen bis maximal fünfzigtausend Euro vorgesehen. Unerlaubte Freisetzungen von GVO und andere Zuwiderhandlungen können mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden. - Übergangs- und Schlussreglungen
2. Wen betrifft das Gentechnikgesetz?
Das Gesetz ist relevant für alle Personen, die GVO herstellen, nutzen, lagern, entsorgen oder weiterverarbeiten. Solche Tätigkeiten finden beispielsweise bei Pharmaunternehmen und medizinischen Instituten (Die rote Gentechnik), Pflanzenzüchtern oder in der Industrie (Die weiße Gentechnik und Die graue Gentechnik) statt. Auch Hochschulen, Umweltinstitute (Die blaue Gentechnik) und Kliniken nutzen gentechnische Verfahren. Firmeninterne Sicherheitsbeauftragte sind hier für die Überwachung und Einhaltung der Vorschriften des Gentechnikgesetzes zuständig.
Privatpersonen kommen in der Regel nicht mit dem Gentechnikgesetz in Berührung. Allerdings kursieren im Internet Experimentierkästen aus dem Ausland, die GVO enthalten oder erzeugen. Durch Nutzung dieser Kästen können sich auch Privatpersonen strafbar im Sinne des GenTG machen (bvi.bund.de).
Privatpersonen kommen in der Regel nicht mit dem Gentechnikgesetz in Berührung
3. Wieso ist ein Gentechnikgesetz nötig?
Die medizinische und biotechnologische Forschung arbeitet mit unterschiedlichen Organismen, vom kleinsten Viruspartikel über pflanzliche Lebensformen und tierische Parasiten bis hin zum Säugetier. Alle biologischen Objekte sind Schutzstufen von S1 (kein Gefährdungspotential) bis S4 (hohes Gefährdungspotential) zugeordnet. Insbesondere bei Viren, Bakterien, Pilzen und Parasiten finden sich auch krankheitsverursachende (pathogene) Gruppen. Die Sicherheitsanforderungen an Anlagen, in denen mit solchen Organismen genutzt werden (Labore, Gewächshäuser, Tierhaltungsanlagen u.a.) sind dementsprechend hoch.
Gefährdungen von Mensch und Umwelt durch gentechnisch veränderte Organismen der Stufen 1 – 4 können gesundheitlicher, wirtschaftlicher und ökologischer Natur sein. Sie können dann entstehen, wenn GVO ihren begrenzten Raum verlassen, sei es durch Nachlässigkeit oder Absicht, oder wenn Genmodifikationen ohne ausreichende Risikoabschätzung angewendet werden. Eine mögliche Gefahr besteht darin, dass veränderte Genbereiche sich unkontrolliert auf andere Organismen übertragen. Bei Pflanzen und Tieren kann dies durch Kreuzung geschehen (vertikaler Gentransfer), bei Bakterien durch Konjugation (horizontaler Gentransfer), bei Viren durch Infektion. Und auch der Austausch genetischer Information zwischen unterschiedlichen Lebensformen scheint nicht ausgeschlossen.
Sollte solch ein Szenario eintreffen, wäre die Rückholbarkeit der Genmodifikation nicht mehr möglich. Pathogene Organismen selbst, Transgene und andere Genveränderungen bergen im schlimmsten Fall ein Gesundheitsrisiko, könnten Erkrankungen verursachen, die Umwelt kontaminieren und das Prinzip der Koexistenz dauerhaft gefährden. Um dem vorzubeugen, müssen gentechnische Projekte überwacht und bewertet werden. So bekommen beispielsweise seit 2008 gv-Pflanzen mit Antibiotika-Markergenen keine Freisetzungszulassung mehr, damit sich das Problem der Antibiotikaresistenzen bei Mensch und Tier nicht zusätzlich verschärft.
4. Kommentar
Das deutsche Gentechnikgesetz steckt einen engen Rahmen mit vielfältigen Kontrollpunkten für gentechnische Arbeiten. Wie nötig eine besonnene Vorgehensweise ist, zeigen die rasanten Entwicklungen in Ländern, die einen weniger strengen Umgang mit Gentechnik verfolgen (faz.net).
Forscher selbst warnen vor übereilten Experimenten; sie benötigen Planungs- und Handlungssicherheit für ihre Arbeit. Aktuell wird in Deutschland um die dringend erforderliche Anpassung des Gentechnikgesetzes und eine rechtliche Einordnung des Genome Editing und der sogenannten Neuen Techniken gerungen (Zinkfingernukleasen, Oligonukleotid gerichtete Mutagenese (ODM), CRISPR/Cas; TALEN u.a.). Ein Gutachten des Bundesamtes für Naturschutz gibt Einblick in die Komplexität der Risikobewertung (Bundesamt für Naturschutz: bfn.de).
Gentechnik kann sicher und nutzbringend sein, so lange sie unter kontrollierten Bedingungen stattfindet, geschlossene Anlagen nicht verlässt und ihre Ziele sich an ethisch-moralischen Grundsätzen orientieren. Wirtschaftliche Interessen oder die bloße Machbarkeit dürfen nicht die Beurteilung dessen vernebeln, was sinnvoll ist und was nicht.